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Ringvorlesung HS24: „Vom Imperium zur Postmigration: Poetik und Politik der Polyglossie im östlichen Europa“ / „From the Empire to Postmigration: Poetics and Politics of Polyglossia in Eastern Europe"
Sprachlicher Pluralismus ist ein bestimmendes Merkmal vieler Regionen Europas – sowohl in der Geschichte als auch in der Gegenwart. Zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Perspektiven unterschiedlich bewertet, wirft die Mehrsprachigkeit heute angesichts von neoimperialen wie neonationalen Entwicklungen, Krieg und (Post-)Migration neue Fragen auf. Die interdisziplinäre Ringvorlesung mit Beiträgen lokaler und internationaler Expert:innen sowie Künstler:innen will die vielfältigen Spannungen und Wechselbeziehungen zwischen der Poetik und Politik der Polyglossie beleuchten – aus osteuropäischer Sicht.
Sprachen wechseln, sich der Flexibilität und Vielfalt der menschlichen Kommunikation bewusstwerden, an Übergängen und im Dazwischen weilen, die Welt durch eine andere Sprache von der (anderen) Seite sehen: Polyglossie besitzt eine eigene Poetik. Polyglossie besitzt aber auch eine eigene komplexe Politik. In gemischten Regionen kann sie als Problem für Nationalstaaten wahrgenommen werden und zu Abwertung und Unterdrückung führen. In transnationalen Staaten und in Imperien kann sie Identitäten vervielfältigen und flexibilisieren oder aber fragmentieren und isolieren. Manchmal steht Mehrsprachigkeit am Anfang von Kriegen, manchmal an deren Ende, bei ihrer Überwindung. Immer prägt sie Erfahrungen von Migration, Diaspora und Exil.
Das östliche Europa ist aufgrund seiner (post-)imperialen Erfahrungen, die bis ins 20. und – in gewissem Sinne – 21. Jahrhundert reichen, in besonderem Maße durch kulturelle Pluralität gekennzeichnet, durch sich verschiebende Grenzen infolge wechselnder übergeordneter kulturell-politischer Einheiten und durch Migration als Folge grösserer Systemwechsel, Konflikte und Kriege. Perspektiven aus Osteuropa bieten deshalb sprachkulturelle Erfahrungen, die für ganz Europa sowie für unsere postmigrantische Gegenwart Reflexionsräume eröffnen. Auch die Mehrsprachigkeit der Schweiz ist heute aufgrund u.a. (post-)jugoslawischen und (post-)sowjetischen Erweiterungen längst nicht mehr nur im Rahmen der "Landessprachen" zu verstehen.
(Neo-)imperiale Sprachenhierarchie oder freie ‘Wahl’ der Muttersprache in multinationalen Staaten; ‘natürliche’ Mehrsprachigkeit in Grenzregionen oder erzwungene Mehrsprachigkeit im Exil; Widerstand der (post-)jugoslawischen Polyglossie gegen die nationalistische Monoglossie der 1990er Jahre; das vorläufige Ende der historischen Polyglossie in der mehrsprachigen Ukraine als Folge des gewaltsamen Angriffskrieges des Kremls; unverzichtbare Mehrsprachigkeit der postmigrantischen Gesellschaft als Ausgangspunkt unserer Gegenwart; unsere "wahrscheinlichen Ursprünge" (Ivna Žic 2023) oder "(Deine) Heimat als (unser) Albtraum" (Ullstein 2020) – die Vortrags- und Gesprächsreihe stellt kritische Fragen, die historische und aktuelle sowie poetische und politische Perspektiven verbinden.
Zeit: Jeweils Montags 18.15-19.45 Uhr
Ort: Alte Universität, Rheinsprung 9, Hörsaal -101
Parallel auf Zoom (Link zur Registration folgt).
Die Vorlesungen sind entweder auf Deutsch oder auf Englisch. / Lectures are held either in German or in English.
Organisation & Kontakt: Dr. Anna Hodel (anna.hodel@unibas.ch)